So gut wie erwartet

So gut wie erwartetDie besondere Heizungstechnik bei Richter + Frenzel in Kassel hat Modellcharakter

Das Unternehmens-Credo vorweg: „Die Zukunft liegt in innovativen, modernen Technologien. Mit denen müssen wir uns kompetent beschäftigen und unser Wissen an unsere Klientel – Handwerker, Planer, Architekten – weiterreichen. Natürlich können wir ganz besonders überzeugend argumentieren, wenn uns eigene Erfahrung, zum Beispiel hinsichtlich der Energieeinsparung Alt gegen Neu, vorliegen.“ Markus Ortlauf, der das sagt, ist Technischer Berater des Großhandelshauses Richter + Frenzel. Er hatte sich vor eineinhalb Jahren für eine ungewöhnliche Heizungsinstallation in der Kasseler Liegenschaft des Grossisten ausgesprochen. Die Betriebsergebnisse nach gut einem Jahr haben ihn und sein Haus für die nicht ganz risikolose Entscheidung belohnt.

Stefan Dornemann Magra-Verteiler R+F

Abb. 1: Die vor Ort verrohrte Verteilung mit den rendeMIX-Mischern (links neben R + F-Mitarbeiter Stefan Dornemann und einer parallelen Modellinstallation zu Schulungszwecken mit Magra-Verteiler im Hintergrund.

Im Mittelpunkt der erneuerten Technik steht der Modulkessel „Ecocraft“ von Vaillant. In der nordhessischen Niederlassung von R + F hatten sich mittlerweile die ältlichen atmosphärischen Kessel mit akzeptablen Nutzungsgraden schwer getan und sollten ersetzt werden. Standardware durfte es allerdings nicht sein, denn in Hessen, dem Mutterland von Viessmann und Buderus, muss man schon einige Trümpfe in der Hand halten, will man als Lieferant von unter anderem Wärmeerzeugern neben den beiden mächtigen Wettbewerbern bestehen.

Ecocraft

Abb. 2: Ecocraft-Heizungsanlage im Technik/Schulungsraum bei R + F in Kassel.

In dem Gas-Brennwert-Kaskadenkessel „Ecocraft“ sah und sieht Markus Ortlauf einen der Trümpfe. Kaskade heißt: Die Einheit besteht aus autarken, parallel aneinander geflanschten Modulen, jedes Modul mit einer Leistung bis 40 kW. Die kleinste Unit setzt sich aus zwei Zellen zusammen, die größte aus sieben. Damit steht eine Leistung je nach Objekt bis 280 kW zur Verfügung. Jeder einzelne Brenner ist zudem zwischen 12 bis 40 kW gleitend regelbar, womit sich das Regelband von 12 bis 280 kW spannt.

Störung ohne spürbare Folgen

Autark heißt: Geht einer der Blöcke in der Kaskade auf Störung, arbeiten seine Nachbarn für ihn mit. Der Kessel fällt nicht aus. Die Havarie macht sich nach außen hin nicht bemerkbar. Der „Ecocraft“ ähnelt damit einem soliden Diesel, der ebenfalls den Ausfall eines Zylinders verkraftet. Ortlauf: „Diese Besonderheit dieses Modells gibt uns die Chance, mit Vaillant im Kesselgeschäft stärker mitzuspielen. Das müssen wir natürlich auch kommunizieren. Deshalb haben wir den Technikraum mit dem „Ecocraft“ gleich zum Schulungszentrum erweitert.“

 Kondensationswärme-Gewinn und thermischer Wirkungsgrad

Abb. 3: Kondensationswärme-Gewinn und thermischer Wirkungsgrad in Kassel. Erläuterungen siehe Text.

Als zweiten Trumpf, der vor allem für die Planungs- und Beratungskompetenz des Richter + Frenzel-Außendienstes spreche, verweist die Niederlassung Kassel auf die besondere Schaltung der drei Heizkreise des Gebäudekomplexes in Verbund mit dem „rendeMIX“-System der Firma HG Baunach aus Hückelhoven an der deutsch-belgischen Grenze. Das schaltet Hochtemperatur- und Niedertemperaturnetze hintereinander, macht also den Rücklauf des einen zum Vorlauf des anderen Wärmeverteilsystems und optimiert so die Energieausbeute, vor allem in Kombination mit Brennwertheizungen. Vor etwa sieben Jahren kam diese Architektur auf der Basis eines ganz speziellen Mehrwegemischers als Herz auf den Markt. Sie hat mittlerweile in zahlreichen Referenzen ihre Bewährungsprobe bestanden, sprich ihre Einspareffekte nachgewiesen: weil sie niedrigste Rücklauftemperaturen und damit höchste Kondensationswärme-Gewinne garantiert.

Drei Kreise als ein Kreis

WertetabelleIn Kassel fand der „rendeMIX“ ein besonders spannendes Terrain vor, nämlich drei Temperaturzonen: erstens den Verwaltungskomplex als Radiatorkreis mit etwa 60 °C Vorlauf, zweitens die Ausstellung mit Fußbodenheizung für maximal 40 °C und drittens schließlich die Lagerhalle mit ebenfalls Rohrschlangen im Boden für eine Vorlauftemperatur bis 30 °C. Dieser dritte Abschnitt soll im Prinzip nur frostfrei gehalten werden. Das Anlagenschema basiert deshalb auf folgenden Spreizungen: Büros 62/42 °C, Ausstellung 40/30 °C, Lager 39/20 °C. Mit „rendeMIX“ beheizt sich praktisch der gesamte Komplex als Ein-Kreis-Ausführung. In der Vergangenheit der zwei atmosphärischen Altkessel mischten drei Mischer drei Temperaturen für jeden Teilbereich, und der gemeinsame Rücklauf fiel deshalb nie unter 42 °C.
So, das zur Anlage. Die ging zu Beginn der Heizperiode 2005/2006 in Betrieb, und einige Woche später im Frühjahr starteten die Fortbildungslehrgänge für Handwerksbetriebe und Planungsbüros an „Ecocraft“ und „rendeMIX“. Die ersten Schulungen mussten sich neben der Funktion mit punktuellen Ergebnissen begnügen. Wie temperaturstabil und mit welchen Nutzungsgraden sich die einzelnen Volumenströme durch die Rohrschlangen, durch die Radiatoren und durch die Wärmetauscher des „Ecocraft“ schoben, ließ sich nur an momentanen Thermometerwerten ablesen und an der Bilanz einiger Wochen, nicht aber an der Bilanz zweier Heizperioden als Vorher-Nachher-Vergleich.
Solch eine Bewertung liegt jetzt vor. In den zwei Jahren vor „Ecocraft“ und „rendeMIX“, in den Jahren Juli 2003 bis Juni 2004 sowie im gleichen Zeitraum 2004 bis 2005 betrug der Heizenergieverbrauch bei Richter + Frenzel in Kassel 506.000 beziehungsweise 499.000 kWh. Rechtzeitig vor dem Winter 2005/2006 installierte der örtliche Heizungsbauer, die Firma Günter Tromp Haustechnik, Kassel, den modularen Vaillant-Wärmeerzeuger und schloss mit der Baunach-Armatur die drei Heizkreise in Reihe. Das Ergebnis: nur noch 356.000 kWh. Dieser Wert ist nicht witterungsbereinigt, sondern von der Gasuhr abgelesen. Das ändert aber wenig an der Verhältnismäßigkeit, da die Klimadaten in diesen betrachteten drei Jahren nicht sonderlich voneinander abwichen.


Aufbau Ecocraft

Der Gas-Brennwertkessel besteht aus zwei bis maximal sieben Modulen à 40 kW. In Kassel genügen fünf Blöcke mit total 200 kW. Jedes Modul ist etwa 14 cm breit, mit einem Gebläse-unterstützten Sturzbrenner ausgerüstet und zwischen 12 bis 40 kW regelbar. Die einzelnen Elemente der Kaskade arbeiten autonom. Im Falle einer Störung verteilt die Unit die Leistung automatisch auf die anderen Zellen. Im Normalbetrieb schaltet die Regelung möglichst viele Module mit reduzierter Wärmeabgabe ein. Das Prinzipbild verdeutlicht die Fahrweise: Bei 12 kW läuft lediglich Modul 1. Für zum Beispiel 48 kW reichen zwei Module mit jeweils 24 kW. Tatsächlich aber decken diesen Fall die Zellen 1, 3, 5 und 7 mit jeweils 12 kW ab. Dadurch reduziert sich die Belastung der Brennkammer, und die Abgastemperaturen sinken zu Gunsten eines hohen Anlagen-Wirkungsgrades.
Im Bild unten die Gasstraße. Jedes Element besteht aus einem modulierenden Flächenbrenner für den Leistungsbereich 12 bis 40 kW, einem Gebläse, einer Gasarmatur und dem kompakten Hochleistungs-Wärmetauscher in V-Form-Technik aus Aluminium-Druckguss. Dieser Werkstoff hält das Gewicht in Grenzen, sodass sich die Anlage auch ganz besonders für Modernisierungsfälle empfiehlt, vor allem in Hotels, gemischt genutzten Wohn/Gewerbeobjekten, Altenheimen, Krankenhäusern und ähnlichen Objekten, die auf hohe Betriebssicherheit Wert legen müssen.

Gasstraße mit jeweils autonomer Brenner/Gebläseeinheit

Abb. 4: Gasstraße mit jeweils autonomer Brenner/Gebläseeinheit.

Lastenaufteilung

Abb. 5: Beispiel für die Aufteilung der Lasten.

Ein Pluspunkt des weiten Modulationsbereichs ist nicht nur die exakte Leistungsanpassung im Verbund mit niedrigen Rücklauftemperaturen zugunsten effizienter Brennwertnutzung. Sie gestattet auch, zur Trinkwasserversorgung relativ kleine Speichergrößen, die im Normalfall mit einer großen Kesselleistung nicht harmonieren würden, zu beladen. Die Regelung des „Ecocraft“ erlaubt den Parallellauf von Heizungs- und Speicher-Ladepumpe. Das Programm berücksichtigt des Weiteren eine regelmäßige thermische Desinfektion.
Der Kessel hält sich nicht nur in punkto Platz und Gewicht zurück. Er macht sich auch akustisch kaum bemerkbar. Selbst bei Maximalbelastung strahlt die 200 kW-Einheit nicht mehr als einen Flüsterton ab. Und selbstverständlich lässt sich die Kaskade auch aus der Ferne bequem überwachen beziehungsweise einstellen oder parametrieren, zum Beispiel mit einer Telefon-Fernschaltung oder Fernbedienung oder aber mit der Vaillant-Technologie vrnetDialog.


Nachweislich 30 Prozent gespart

Kondensat-Messgerät BrennCon

Abb. 6: Kondensat-Messgerät BrennCon www.consoft.de.

Der moderne Kessel und die Heizkreisreihung drückten mithin die Erdgaskosten um rund 30 Prozent. Grob gesehen werden zwei Drittel dieses Erfolges dem Wärmeerzeuger zuzuschreiben sein und das dritte Drittel dem Anlagenschema. Für dessen Realisierung musste damals die HG Baunach einige Überzeugungsarbeit beim Planer und bei Vaillant leisten. Schaut man sich die drei Einzelspreizungen an und rechnet noch einige Toleranzen ein, addiert sich die Gesamtspreizung auf 40 K. Vaillant wollte anfangs diese Differenz zwischen Vor- und Rücklauf dem Wärmeerzeuger nicht zumuten, aus Sorge, ein einzelnes Modul könnte unter Umständen bei ungünstigen Bedingungen unter Wassermangel leiden. Die Remscheider beharrten ursprünglich auf einen Überströmer, auf einen hydraulischen Kurzschluss. Denn der Ecocraft gehört zur Familie der Umlauf-Wasserheizer, und die brauchen nun mal Mindestvolumenströme.
Die Techniker lösten dieses Problem von der Anlagenseite her. Sie bauten eine Regelungshierarchie auf, die so abgeglichen ist, dass einzelne Kreise bei Betrieb der Module immer die Mindestumlaufwassermenge garantieren, also nicht vollständig herunterregeln.
Die drei Temperaturebenen bei Richter + Frenzel begnügen sich mit insgesamt 200 kW. Im Schulungs-/Technikraum steht deshalb ein Ecocraft mit fünf Modulen (5 x 40 kW). Die Betreiber zählten die Starthäufigkeit und ermittelten eine durchschnittliche Kessellaufzeit von 2,5 Tagen je Start. Nun dürfte das für eine modulierend betriebene Heizungsanlage, die bis auf ein paar Kilowatt herunterfahren kann, kein besonders überraschender Wert sein. Im strengen Winter müssten sich Wärmebedarf und Wärmeleistung ausbalancieren und die Anlage quasi durchlaufen, doch über eine gesamte Heizperiode betrachtet sprechen 2,5 Tage für eine sehr solide Anlagenkonfiguration.


Jetzt Magra-Verteiler für rendeMIX

rendeMIX mit Magra Verteiler

Abb. 7: rendeMIX mit Magra-Verteiler.

Schaut man sich die Installation bei Richter + Frenzel an, fällt die noch sehr aufwendige Verrohrung der einzelnen Mischergruppen auf. Die gingen ins Geld. Im Falle Richter + Frenzel spielte das nun für die Entscheidung keine wesentliche Rolle, weil man erstens eine Demonstrationsanlage einrichten wollte und zweitens bereits Verhandlungen mit dem Armaturenhersteller Magra liefen, für den „rendeMIX“ einen speziellen Verteiler zu gießen. Der würde später im Handelsgeschäft die Kosten absenken und damit die besondere Architektur der Reihenschaltung insgesamt kosten- wie montageseitig attraktiver gestalten.
Auf der Essener SHK im Jahr 2006 präsentierten Magra und Baunach die Armatur. In ihr verbindet sich das „rendeMIX“-Schema mit dem Prinzip des bekannten Verteilerbalkens. Das Besondere daran ist jedoch, dass pro Mischergruppe drei Anschlüsse vorgesehen sind und nicht zwei, wie in der Standardversion, nämlich heißer Vorlauf, warmer Rücklauf, kalter Rücklauf. Der Verteiler lässt zu, bis fünf Gruppen anzuflanschen. Um Verwechslungen zu vermeiden, sind die einzelnen Kupplungen eindeutig markiert. Beachtet werden muss lediglich die Reihenfolge der Heizkreise, sie zum Wärmeerzeuger hin mit sinkender Rücklauftemperatur anzubinden. Ansonsten besteht kein Unterschied zum bewährten Magra-System.


Hohe Brennwertnutzung

Das drückt sich auch in der Brennwertnutzung aus. Die Hersteller versprechen Nutzungsgrade von in der Regel 105 Prozent. Nur klafft doch häufig zwischen Theorie und Praxis oder zwischen Prüfstand und Feld eine erhebliche Lücke. Das hat etwas mit zu hohen Rücklauftemperaturen zu tun. Bei einem Wert von etwa 40 °C zweidrittelt sich die Kondenswassermenge im Vergleich mit dem „Gewinn“ bei 20 °C. Im Ergebnis läuft das auf verlorene fünf Prozent Nutzungsgrad gegenüber dem Machbaren hinaus. In der Richter + Frenzel-Niederlassung sollten sich wegen der Dreifachnutzung des Vorlaufs bis hinunter auf 20 °C eigentlich keine Differenzen zwischen geplantem und gemessenem Kondensationswärmeertrag einstellen dürfen.
Die Berater und Schulungsleiter wollten sich aber auch hier belegbar auf Beweismaterial abstützen und regten die Installation eines BrennCon-Messgeräts an. Das litert das Schwitzwasser aus. Im Prinzip handelt es sich um einen Kondensatsammler mit einer integrierten Hebepumpe, die den vollen Behälter ins Abwassernetz entleert und aus der Anzahl der Hübe das Kondensatvolumen bestimmt. Die Nachkalkulation durch Richter + Frenzel ergab höchst Erfreuliches: Dem Gasverbrauch von 4182 m3 oder 43 284 Kilowattstunden in der Periode 20.12.2005 bis 12.01.2006 stehen spezifisch 94 g/kWh Kondensat gegenüber. Daraus liest sich in Bild 3 eine durchschnittliche Rücklauftemperatur von etwa 25 oC ab und ein thermischer Wirkungsgrad des Kessels im betrachteten Zeitraum von 104 Prozent. Bei 42 oC Rücklauf – wie in der Vergangenheit – hätte sich der „Ecocraft“ mit rund 4 % weniger Effektivität begnügen müssen – und damit 16 000 kWh verschenkt.

Einige Nachbesserungen

Mindestens 16 000 Kilowattstunden verschenkt. Denn in den ersten Wochen der Inbetriebnahme stützte sich die Anlage noch auf eine ältere Regelungssoftware ab, die nicht maßgeschneidert zur Drei-Kreis-Architektur passte. Vaillant besserte nach. Den Erfolg bescheinigt ebenfalls Bild 3: Ab Januar pendelte sich die Kondenswassermenge auf etwa 98 g/kWh ein, was noch einmal mindestens einen halben Prozentpunkt mehr oder 2000 kWh bedeutet.
Noch ein anfängliches Manko: Es hatte sich ein Installationsfehler eingeschlichen. Der dürfte zu Lasten der Anlagenaufwandszahl im Sinne der Energieeinsparverordnung gegangen sein. Einer der Außenfühler meldete leider, wie sich später herausstellte, permanent Frosttemperaturen. Folge: Auch bei milder Witterung strömte der Vorlauf mit der auf maximal 67 °C begrenzten Kesseltemperatur in die Radiatoren. Es blieb zwar trotzdem bei einem Rücklauf von 22-25 °C, doch klettert nach DIN 4701 Teil 10 „Energetische Bewertung heiz- und raumlufttechnischer Anlagen“ der Wärmeverlust der Wärmeverteilung mit steigender Systemtemperatur an. Da die Verteilebene in Kassel aber mehrheitlich innerhalb der thermischen Hülle des Objekts liegt, dürften sich die Abstriche nur minimal in Euro und Cent bemerkbar gemacht haben.

Bernd Genath

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