Hydraulik sichtbar gemacht
Ohne Abgleich ist wie ein Orchester ohne Dirigent – Ein Seminar in Arnsberg
Das Informationsbedürfnis in der SHK-Branche ist groß. Dabei muss Weiterbildung nicht in einem üppig gestalteten Gesellschaftsabend verpackt werden. Wenn das Thema die Standard-Problemzone – Hydraulik – ist und eine nicht verkaufsorientierte Institution einlädt, etwa eine Handwerkskammer oder die neuen Energiegemeinschaften, füllt sich der Schulungssaal. Wenn dann noch ein Experiment im Heizungslabor die Theorie bestätigt, fragen zum Schluss die Hörer den Gastgeber fast schon erwartungsvoll: „Was ist ihr nächstes Thema?“
Problemzone Hydraulik. Die schwillt mit der vernetzenden Digitalisierung und dem Internet der Dinge mehr und mehr an. Wer zukünftig beim Großhandel einzelne Komponenten für eine Sanitär-, Heizungs- oder Klimaanlage kauft, kauft Puzzlesteine. Die ergänzen sich bekanntlich nur zum vollkommenen Bild, wenn sie an der richtigen Stelle sitzen. Die richtige Stelle heißt auf die Hydraulik übertragen die richtige Anpassung. Die einzelnen Komponenten spielen ihre Effizienz nur aus, wenn sie optimal aufeinander abgestimmt sind. Keiner ist in der Lage, mit uneffizienten Komponenten ein effizientes System zu bauen. Effiziente Komponenten dagegen zu einem uneffizienten System zu kombinieren, ist nicht die Regel, aber auch nicht die Ausnahme. „Obwohl jeder Musiker ein Virtuose ist, würde ein Orchesterkonzert ohne Dirigent kein Ohrenschmaus sein“, plakatierte der Referent auf dem Hydraulik-Seminar im Berufsbildungszentrum der Handwerkskammer Südwestfalen in Arnsberg Anfang Februar die Notwendigkeit eines fachgerechten Abgleichs.
Be- und Entladung von Pufferspeichern
Pufferspeicher und ihre leistungsfähigste Be- und Entladung beispielsweise müssen künftig nicht nur für die Versorgung der Gebäude, sondern auch für die Energiewende Verantwortung übernehmen. Das ist nicht überspitzt formuliert. Aktuell nämlich kommt der Wärmespeicherung auch die Aufgabe als Überdruckventil zu: weil die Windparks und Solarfarmen schneller wachsen als die Infrastruktur. Als der Strassenausbau. Für den Ausbau kalkulieren die Experten einen Übergangszeiftraum von gut zehn Jahren. Das heißt, damit das Netz nicht glüht, müsste man in der nächsten Dekade erneuerbare Energien von der Leitung nehmen. Das ist nicht im Sinne der Energiewende. „Deshalb“, sagte kürzlich Stefan Kapferer, Vorsitzender der Hauptgeschäftsführungdes Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft, „müssen wir jede kleine Maßnahme, die die derzeitige Situation entlastet, nutzen. Zu diesen Möglichkeiten gehört die Verwendung des Überschusses in den Haushalten, nämlich die Umwandlung in Wärme.“ Die Energiewende sei das eine, die Infrastruktur wendefähig zu machen, das andere. Und dazu gehöre unter anderem Power-to-Heat. Die deutsche Energie- und Wärmewelt wird nun mal mit Wind- und PV-Strom elektrischer. Die damit einhergehende natürliche Entkopplung von Angebot und Bedarf muss systemisch abgefangen werden. Das komfortable und effiziente Heizen mit eigentlich fluktuierender Energie gestattet Power-to-Heat, also unter anderem die Sektorenkopplung mit Wärmepumpe, mit thermischer Solaranlage und mit Pufferspeicher, um die Wärme bis in die Abendstunden oder in ein anderes Zeitfenster hinein zwischenzulagern. Je ergiebiger die Regelung die Kapazität solch eines Lagerbehälters ausnutzt, umso mehr steigt der Gesamtanlagen-Wirkungsgrad.
Das gilt im Übrigen für jede Einbindung eines Puffers in einen Heizkreis, gleichgültig wer die Wärme liefert: eine Brennwerttherme, Holz oder Pellets, der Kollektor, KWK oder die Wärmepumpe. Wie nähert man sich aber dem Optimum? Genau das war das Thema in Arnsberg.
Wie nähert man sich dem Optimum?
Beginnen wir mit einer Frage: Wie groß sind die Auftriebskräfte, die das warme und heiße Wasser schichten? Der Exkurs in die Hydraulik, den Hans-Georg Baunach von der Firma HG Baunach GmbH & Co. KG gab, wartete mit solch wenig bekannten Zahlen auf. Der Auftrieb geht von den Dichteunterschieden aus. Wasser von 0 °C wiegt 1.000 g je 1 Liter, Wasser von 100 °C, direkt am Siedepunkt, nur 950 g. Die Differenz von 50 Gramm bedeutet, dass in einem Speicher von 50 cm Durchmesser – und damit mit einer Fläche von rund 2.000 cm² – eine 1 cm dicke Wasserschicht mit folglich dem Volumen von zwei Liter gerademal grob gesehen mit einer Druckkraft von 100 Gramm nach obenstrebt – der Auftrieb von kochendem in eiskaltem Wasser. Viel ist das nicht. Schon kleinste Störungen auf diese geringe Dynamik können dem Inhalt den Schichtungswillen nehmen. Bescheidener Ausgleich: die Leichtigkeit des Wassers nimmt im oberen Temperaturband, so ab etwa 50 °C, überproportional zu. Im kalten Bereich dagegen, so zwischen 0 °C und 20 °C tut sich relativ wenig in puncto Dichteunterschied. Mit anderen Worten: je heißer das Wasser, desto stabiler die Schichtung: und damit der verwertbare Wärmeinhalt eines Puffersbeziehungsweise seine verwertbare Speicherkapazität: Betrachten wir die Beladung. Bei einer vollständigen Durchmischung auf 50°C fließt, den Systemgedanken konterkarierend, die Wärme sozusagen rückwärts. Nämlich vom Puffer in die 45 grädige Sole der angeschlossenen Solaranlage, wenn die nicht mehr als 45 °C anbietet. Schichtet sich dagegen der Inhalt von 30 auf 70 °C auf, was die gleiche Wärmemenge wie im Fall zuvor bedeutet, kann der Kollektor seinen Solargewinn an die kalte Zone des Warmwasserbereiters abgeben.
Zerstörende Turbulenzen
Zugegeben, das alles ist nicht unbekannt. Nur, gestanden mehrheitlich die Hörer ein, hält man sich so drastisch die Konsequenz aus einer falschen Be- und Entladung von Speichern nicht vor Augen. Beziehungsweise zieht nicht den Schluss daraus: dass vor allem die Rücklauftemperatur aus einem Heizungssystem so kalt wie möglich sein sollte. Sie entscheidet maßgeblich über den nutzbaren Wärmeinhalt. Sie sollte also erstens sehr niedrig sein, der Rücklauf zweitens sehr weit unten in den Puffer einströmen und drittens mit geringer Geschwindigkeit. Um keine Turbulenz zu erzeugen. Am besten mit nicht mehr als zehn Zentimeter pro Sekunde. Dieser Wert stellt aber keine Regelgröße dar. Denn natürlich zerstört jede Turbulenz die Schichtung. Von den Auftriebskräften war ja schon die Rede. Sie, die Turbulenz, schaukelt das Fehlverhalten des Behälters regelrecht auf, weil die Wärmeleistung des Vorlaufs vom Durchsatz und von der Temperatur abhängt. Wenn der Vorlauf 60 °C betragen soll und es steht nur 70 grädiges Speicherwasser zur Verfügung, muss mehr Mischwasser zirkulieren gegenüber einem 80 grädigen Fluid. Ein höheres Volumen bedeutet eine notwendige Erhöhung der Umlaufgeschwindigkeit. Eine höhere Umlaufgeschwindigkeit bedeutet eine Erhöhung des Impulses des in den Behälter einströmenden Wassers – und damit eine Erhöhung der Turbulenz. Der Hydraulik-Experte Baunach rechnete den Effekt vor: Die kinetische Energie steigt quadratisch mit der Fließgeschwindigkeit, folglich klettert die Verwirbelung bei einer Durchsatzzunahme von 33 Prozent um 77 Prozent. Die wirkt wie ein großer Quirl. Sie vermixt alle Wärmezonen zu einem nur noch geringen Delta T zwischen oben und unten. Die praktische Folge: „Wenn die Mischtemperatur im Boiler, sagen wir, nicht über 50 °C hinausgeht, springt beim Duschen nach einigen Minuten trotz der Solaranlage der Kessel an. Bei einer Spreizung 90/30 dagegen bleibt der Kessel beim Duschen aus und der Kollektor kann sogar noch beladen“, erklärt Hans-Georg Baunach.
Effizienter je mehr Kondensat
Für beinahe jede Aussage hat er eine entsprechende Folie parat. Er erwartet nicht, dass live gleich alles begriffen wird. „Bei vielen solchen Fortbildungen registrieren wir am Anfang große Augen, Stirnfalten und Verwunderung. Deshalb unser Praxisteil. Was sich bei dem einen oder dem anderen als doch sehr kompliziert anhört, hellt der Laborversuch auf. Er macht die Theorie verständlich“, fasste später Hans-Stefan Albers das Feedback aus der Hörerschaft zusammen. Albers leitet den Fachbereich Sanitär- und Heizungstechnik an der Handwerkskammer Südwestfalen. Hydraulik-Seminare stehen bei ihm im Turnus auf dem Programm. Die Installationen werden zwar zwischendurch abgebaut, um anderen Demonstrationen zu weichen, stehen aber verfeinert dem nächsten Kurs wieder zur Verfügung. Verfeinert soll heißen, dass zum Beispiel die Thermografiekamera, die aktuell die Schichtung transparent macht, demnächst mit einem Datenlogger mit zehn Messpunkten über der Behälterhöhe ergänzt werden wird. „Dann können wir grad genaue Temperaturen den Teilnehmern präsentieren“, so Albers.
Gewinn der Zweizonen-Be und Entladung
Wenn die Temperatur der violetten Schichtoberhalb des eingestellten Sollwerts dieses Sensors liegt, meldet der dem Kessel ‚Es reicht’. Also schaltet der Brenner ab. Nur der Hub steht folglich beim Einzonen-Prinzip in der Praxis der Heizung zur Verfügung. Die beiden Grafiken für links dem Einzonen- und rechts dem Zweizonenprinzip geben die Temperaturverhältnisse beim Befüllen und beim Verbrauch wieder. Die beiden überalles gestrichelten Vierecke – mit denWassertemperaturen auf der Abszisse und die aufgetragen über der Höhe der Wassersäule im Behälter auf der Ordinate – stehen für die theoretische Speicherkapazität. Die eingezeichneten Teilflächen stehen für das real nutzbare Wärmevolumen.
Auf die Erklärung zu ihrer Geometrie und zu den einzelnen Messpunkten T des Langzeitversuchs in Biberach sei an dieser Stelle verzichtet, entscheidend ist der unterschiedliche Flächeninhalt: Die Be- und Entladestrategien mit den beiden Mehrwegemischern in der rechten Grafik sind auf eine hohe Spreizung im Speicher ausgerichtet. So strömt, nur als Beispiel, bei einer Bauausführung mit Radiator- und Fußbodenheizung ausschließlich der 30 grädige Rücklauf aus der Niedertemperaturheizung unten in den Behälter ein, während der Radiatorrücklauf von 50 °C in die Mischzonegelenkt wird. Ähnlich gut geschichtet bleiben die Temperaturen im oberen Drittel. Eventuell greift der Vorlauf-Mischer gar nicht auf die höchste Temperatur zurück, da ihm die Temperatur der Mittelzone genügt. Das wärmegeführte BHKW bleibt mithin ausgeschaltet. Entnimmt der „Rendemix“ Heizwasser aus der Mittelzone, verschlankt die sich und macht Platz für Heißwasser aus dem „Dachs“. Im Standardfall des Dreiwegemischers dagegen hat der gemischte Rücklauf aus den Radiatorenund der Flächenheizung je nach Leistung der beiden Heizkreise bereits eine Temperatur von über 40 °C. Das geht erstens zu Lasten der Spreizung. Aus der violetten Warmzone kann direkt nichts entnommen werden. Das engt zweitens den Speicherraum für das Heißwasser ein. Und drittens muss für jede Vorlauftemperatur der Mischer auf den wertvollen Heißwasservorrat zurückgreifen, den dann die Maschine im Versuch nachzuliefern hat.
Das Ergebnis: Das nutzbare Speichervolumen beträgt bei einer Zweizonen-Be-und Entladung mit Mehrwegemischer bei einer Anlagenkonfiguration wie in der Diplomarbeit exakt das 2,4-Fache gegenüber der Einzonen-Ausführung. Anstelle des „Dachs“, der in Biberach gerade greifbar war, hätte auch ein Kessel stehen können. Bei einer Kessel-Speicher-Kombination sehen die Verhältnisse genauso aus. Nebenbei: Die Start-Stopp-Zyklen des „Dachs“ reduzierten sich damit ebenfalls um den Faktor 2,4.
Es sei sehr beeindruckend „an der Kondensatmenge zu sehen und mit ihr ausrechnen zu können, wie niedrige Rücklauftemperaturen die Effizienz eines Brennwertsystems und im Verbund mit einer Zweizonen-Be- und Entladungsstrategie anstelle der Einzonensysteme die Speicherkapazität eines Warmwasserpuffers erhöhen“, gibt der Fachbereichsleiter zu. Seine Anvertrauten im Berufsbildungszentrum sind in erster Linie Meisterschüler. Zum praktischen Beweis der Effizienz der besonderen Hydraulik nach dem Baunach-Verfahren – „Beinahe reicht es ja schon, die Hände auf die Rohre zu legen. Dann fühlt man, was sich tut“ – hatte er auch die mit der Handwerkskammer befreundete Energiegemeinschaft Südwestfalen eingeladen. Die Betriebsleiter und -inhaber, obwohl mitten im Berufsleben stehend, also mit der Hydraulik weitgehend vertraut, beeindruckten die Ergebnisse aber genauso wie die Meisterschüler.
Per Hand zu umständlich
Der Installationsaufwand ist minimal.Wie gesagt, die Baunach-Entwicklung arbeitet die drei Aufgaben der Hydraulikoptimierung, erstens Systemeffizienz in der Wärmenutzung, zweitens Systemeffizienz in der Wärmeverteilung und drittens Systemeffizienz in der Wärmespeicherung, mit einer einzigen Armatur ab. Diese Architektur händisch aus Einzelkomponenten zumontieren, verlangt großen Aufwand und großes Fachwissen. Beim „rendeMIX“ genügt es, die Vor- und Rücklaufleitungen anzuschrauben. Der Ursprung des Mischerblocks bestand in der Überlegung, die vorherrschenden aufwendigen und energievergeudenden Zweikreissysteme, die den hochtemperaturigen Rücklauf aus den Radiatoren in den Kessel schicken statt in die Fußbodenschlangen, in ein Brennstoff sparendes Einkreissystem umzugestalten. Das setzt voraus, die unterschiedlichen Wasservolumina in der Armatur auszugleichen. Die Anwendung erweiterte dann das Unternehmen auf die optimale Be- und Entladung von Zweizonen-Pufferspeichern und auf die Anbindung von Solaranlagen. Die Fachhochschule Biberach hat im Rahmen einer Diplomarbeit mit Puffer und Blockheizkraftwerk den Gewinn einer optimalen Anbindung ermittelt: Die Zweizonen-Be- und Entladung mit je einem Mischer erhöht den nutzbaren Wärmeinhalt eines Speichers um 240% gegenüber dem Einzonen-Prinzip (siehe Kasten). Der kurze Labortest in Arnsberg konnte naturgemäß nich tmit diesem erstaunlichen Wert aufwarten. Dafür reichte weder die apparative Ausstattung noch die Zeit. Die gemessenen Temperaturen und thermischen Leistungen bestätigten aber tendenziell die Biberacher Ergebnisse.